Im Jahr 2019…

Der Sonntagsbrunch ist besorgt und die Schlemmerei kann beginnen – es gibt frisch gepressten Orangensaft, diverse Smoothies, „normales“ und glutenfreies Brot mit verschiedensten Körnchen oben drauf, Schinken und Speck, Frühstückseier mit Himalaya-Salz, BIO-Räucherlachs aus einer Aquakultur, eine geschälte Orange im Plastikbehälter aus dem Supermarkt, einen weiteren Fertig-Fruchtsalat, drei Tassen des Lieblings-Kaffees pro Kopf, diverse Süßgebäcke neben dem Buttergipfeli und selbstverständlich sechs Sorten Käse.

Wenn genügend Zeit vorhanden ist, schenkt man dem menschlichen Bedürfnis der Nahrungsaufnahme ausreichend Beachtung. Man lässt sich nicht von den lästigen Fakten über den Klimawandel oder Gesundheitsrisiken davon abhalten, seinen „Teller“ reich zu decken. Außerdem wird beinahe jedes Frühstück an Arbeitstagen aus Zeitmangel ausgelassen und so freut man sich gleich siebenfach auf den Sonntagsbrunch.

Gut gesättigt bzw. Bewegungsunfähig begibt man sich gemeinsam oder alleine auf die Couch und denkt an all die Sachen, die man über das Wochenende machen wollte, nervt sich kurz, dass man gerade nicht wie geplant wandern gegangen ist und versinkt im Smartphone bis der „Gluscht“ wieder zuschlägt.

Frühstücken und essen generell ist etwas Schönes! Der unter Umständen daraus entstehende Foodwaste ist leider ein Thema, welches gelöst werden muss.

Stunden vergehen, während die letzten Reste des Brunches kleinbei gegessen werden oder sie folgen dem Rest des Fruchtsalates in den Abfall. Gleichzeitig startet die Zubereitung des Mittagessens (um 16 Uhr). Kartoffel-Gemüse-Eintopf mit einer köstlichen Schicht überbackenen Käse und Speckwürfeli. Da der Bauch vom Brunch noch gefüllt ist, schwindet der Appetit recht schnell und knapp ein Drittel verbleibt am Teller. Zum Einfrieren ist es zu wenig und so landet es kurzerhand im „Ghüder“. Später folgt dennoch ein kurzes Zvieri mit Kaffee und Kuchen am Balkon.

Abends schwindet die Motivation, den Kühlschrank zu plündern oder aus den Restbeständen des Wocheneinkaufs etwas zuzubereiten, also bestellt man mit nur wenigen Klicks das Abendmahl per App, welches pünktlich bis leicht verspätet ausgeliefert wird. Inzwischen gab es dafür ausreichend Zeit für die nächsten drei Folgen der Lieblingsserie auf dem Streamingportal, welche von einer Dose Bier und einem Gläschen Wein pro Kopf begleitet werden.

Essensreste und Plastikabfall vom Lieferservice wandern abermals im Müll, noch zwei weitere Folgen der Lieblingsserie auf dem großen Bildschirm und nach einem umweltfreundlichen Leervorgang der Weinflasche schält man sich ins Bett. Auf dem Smartphone zeigen sich noch einige inspirierende Aufzeichnungen von Sportskanonen, Naturliebhabern, Konzerten und Veranstaltungen aus aller Welt. Die Artikel über Umweltschutz, Gesundheit, Katastrophen und politische Unruhen werden ausgeblendet – dafür ist jetzt keine Zeit – am nächsten Morgen beginnt wieder die Arbeitswoche.

Das Frühstück wird wie gewohnt aus Zeitgründen ausgelassen, zum „Znüni“ gibt’s dafür ein Gipfeli und den Lieblingskaffe bei der Arbeit, gefolgt von einer doppelten Portion vom Salatbuffet zu Mittag. Der Bauch scheint übers Wochenende ein bisschen gewachsen zu sein, also wird die Kantine gleich zur Diätzone erklärt. Abends kann man nach einem anstrengenden Arbeitstag ohne sinnvolle Nahrungszufuhr an nichts anderes mehr denken, als die Füße hochzulagern und sich beim gemeinsamen Abendessen zu regenerieren. Während die Verdauung die nötigen Nährstoffe dafür liefert, gesellt man sich lieber auf die Couch, da Körper und Geist vom Arbeitstag erschöpft sind und nun die Verdauung die notwendigen Blutreserven für den geplanten Abendspaziergang benötigt. Bevor das müde Hirn den Körper ins Bett motivieren kann, gönnt man sich vor den täglichen „sechs bis neun“ Stunden Schlaf noch schnell „eine Handvoll“ Süßes ODER Salziges zum „einen Glas“ des Lieblingsalkohols.

Bedenkliche Ernährungsentwicklung

Ein eventuell übertriebenes Ernährungsbeispiel einer von 52 Wochen des Jahres 2019 mit einem eventuell „sarkastischen“ Ende. Doch nur allzu oft kann sich sogar ein Ernährungsberater in diesen oberflächlich beschriebenen Zeilen wiederfinden. Das menschliche Streben im 21. Jahrhundert scheint sich grundlegend von sämtlichen Generationen vor uns zu differenzieren. Die Folgen dieses Konsumverhaltens für den eigenen Körper, für die gesamte Gesellschaft und auch für unseren Planeten sind uns mittlerweile bekannt – nun ist es abermals an der Zeit zu handeln!

In der frühen Menschheitsgeschichte sorgten das Jagen und Sammeln von vergleichsweise kalorienarmen Nahrungsquellen für eine stetige Balance zwischen Konsum und Verbrauch. Die scheinbar einzigen Sorgen galten dem Überleben, der Nahrungssuche und der Reproduktion. Mit dem Ackerbau und der Viehzucht und der damit verbundenen besseren Nahrungsversorgung war es möglich in größeren Verbänden zusammenzuleben und den Planeten neu zu formen.

Jahrtausende später steht die Menschheit vor einer ähnlichen Situation: Wie verändert unser Konsumverhalten unseren Planeten? Industrialisierung und Globalisierung führten dazu, dass sich viele Menschen in weiten Teilen dieser Welt einer neuen Herausforderung stellen müssen: dem Überfluss an Nahrung. Ein Ernährungsextrem für den Körper, welches die Lebens- und Gesundheitserwartung negativ beeinflussen kann.

Es ist nichts Neues: Zucker im Überfluss hat erheblichen Einfluss auf die Gesundheit…

Während dank moderner Medien bestens bekannt ist, dass Junk-Food, Zucker, Frittiertes und Alkohol im Übermaß ungesund sind, wird allerdings der wesentlich gefährlichere Nahrungsmangel von Zeit zu Zeit in Form einer kalorienarmen Diät mit harter Arbeit oder Sport begrüßt. Unglücklicherweise verliert der Körper bei derartig großem Mangel häufig sogar noch kiloweise Muskelmasse. Erst wenn die Kilogramm-Anzeige der Waage unter dem Sollwert angekommen ist, kann wieder zum „gewichtsakkumulierenden“ Lebensstil zurückgewechselt werden. Das Jojo schwingt weiter bis der Stoffwechsel das Ungleichgewicht zwischen Mangel und Überfluss nicht mehr ausgleichen kann und die Dringlichkeit einer seriösen Intervention bzw. eines menschenadäquateren Konsumverhaltens steigt.

Ernährungsüberfluss und Fitnesswahn sind oftmals nicht weit voneinander entfernt.

Möchte man sein eigenes Jojo „einpendeln“ und ein stabiles, gesundes Körpergewicht anstreben, gibt es im 21. Jahrhundert meist derzeit nur eine wissenschaftlich klingendere Version von „das Richtige Essen und genügend Bewegung“. Der menschliche Körper ist nun mal nicht für Bewegungsarmut und übermäßigem Konsum ausgelegt.

Ebenso gut bekannt ist der Gesundheitszustand unseres Planeten, welcher scheinbar auch nicht für unseren Konsum ausgelegt ist. Der Klimawandel ist im wahrsten Sinne des Wortes eine „heiße Debatte“, welcher durch ansteigende Treibhausgas-Emission stark beschleunigt wird und alle auf dem Planeten lebenden Formen der Gegenwart und Zukunft bedroht. Da alleine die Nutztierwirtschaft für 51% dieser Emissionen verantwortlich ist, ist das menschliche Bedürfnis nach einem gedeckten Teller hauptsächlich für die derzeitigen Veränderungen verantwortlich, was ein globales Umdenken der Erfüllung dieses Bedürfnisses von Nöten macht.

Der Erfindungsgeist des Menschen ist es zu verdanken, dass wir als Menschheit so weit gekommen sind, jedoch ist es JETZT an der Zeit vor dem Kollaps des „planetaren Stoffwechsels“ zu handeln. Während in den kommenden Jahrzehnten die nächsten Meilensteine menschlicher Kreativität auf Smartphone & Co verkündet werden, kann jeder einzelne für sich am besten mitwirken, indem man seinen Fleisch- und Tierproduktekonsum einschränkt, im Supermarkt vergleichsweise kalorienarme pflanzliche Lebensmittel jagt und sammelt, sich regelmäßig an freien und AUCH an arbeitsreichen Tagen damit verköstigt und sich körperlich betätigt.

Frühstücken wie ein Kaiser, Mittagessen wie ein Kaiser, Abendessen wie ein Kaiser? Sind wir ehrlich: ein kaiserliches Leben führen wir bereits – und ohne den Überfluss wird es vielleicht sogar noch edler…

Bericht: Christian Graber